Vom Saatgut zur Sattheit – Wie du deinen Garten auf deine liebsten Rezepte abstimmst und saisonal kochst

Ein Gastbeitrag von Ing. Matthias Jünger, MBA , garden-shop.at

Ich stand in der Küche, das Messer in der Hand, und sehnte mich nach einem warmen Linseneintopf mit Möhren, Sellerie und ein bisschen Liebstöckel. Ich öffnete die Kühlschranktür, und da war – nichts davon. Draußen im Garten wuchsen bunte Mangoldblätter, zwei verirrte Zucchini, und irgendwo war da noch ein Beet mit Fenchel. Alles wunderschön. Aber eben nicht das, worauf ich gerade Appetit hatte.

Und da hat’s bei mir klick gemacht: Warum plane ich meinen Garten eigentlich nicht nach meinen liebsten Rezepten?

Viele von uns bauen Gemüse an, weil’s gesund ist, Spaß macht oder nachhaltiger ist. Alles valide Gründe! Aber weißt du, was mich heute antreibt? Der Moment, wenn ich ein Gericht genau so kochen kann, wie ich’s liebe – weil mein Beet mir exakt die Zutaten liefert, die ich brauche. Ohne Supermarkt. Ohne Kompromisse.

Dieser Artikel ist ein Plädoyer fürs Gärtnern nach Geschmack. Für alle, die lieber mit Appetit pflanzen als mit Pflanzplänen jonglieren. Ich nehm dich mit auf eine Reise durch den saisonalen Gartenkalender – aber von der Pfanne rückwärts gedacht.

 „Worauf hast du wirklich Appetit?“ – Vom Kochbuch zurück ins Beet

Weißt du, was mich früher immer gestresst hat? Diese Listen mit „Das solltest du im März säen“ oder „Die besten Gemüsesorten für Anfänger“. Ich hab sie gelesen, brav alles besorgt, gesät, gegossen – und dann festgestellt: Ich mag gar keinen Mangold. Tja.

Heute geh ich’s anders an. Ich frage mich zuerst: Was esse ich richtig gern? Und dann: Was davon könnte ich selbst anbauen? Klingt banal, verändert aber alles. Ich nenn das „Gärtnern nach Gusto“.

Ein Beispiel: Ich liebe Pasta mit ofengerösteten Paprika, Zwiebeln und etwas Feta. Also hab ich gelernt, Paprika vorzuziehen, robuste Zwiebelsorten zu stecken und Feta immer im Kühlschrank zu haben (gut, das wächst nicht, aber you get the point). Plötzlich wird mein Garten zu einer kulinarischen Vorratskammer – angepasst an mein Kochbuch, nicht an irgendeinen Kalender aus dem Baumarkt.

Der größte Aha-Moment war ein Ratatouille-Sommer. Ich hatte Bock auf dieses eine Gericht – Zucchini, Auberginen, Tomaten, Paprika, Kräuter. Und ich dachte: Was, wenn ich nur das anbaue? Was, wenn mein Garten ein einziges Rezept feiert? Ich hab’s gemacht. Und es war herrlich. Ich hatte zwar keine Erbsen oder Bohnen. Aber dafür gab’s fast jeden zweiten Tag irgendeine neue Ratatouille-Variante. Mal mit Ei obendrauf, mal mit Couscous, mal als kalte Antipasti.

Und genau das ist der Trick: Weniger Vielfalt, mehr Tiefe.

Du musst nicht alles anbauen. Du musst das anbauen, was du wirklich isst.

Hier ein paar klassische Kombis, die sich super umsetzen lassen – sowohl im Beet als auch am Herd:

  • Tomate + Basilikum + Knoblauch – für Pesto, Bruschetta, Pasta
  • Zucchini + Dill + Zitrone – für Sommergerichte oder schnelle Pfannengerichte
  • Kürbis + Ingwer + Rosmarin – für Suppe, Ofengerichte oder Risotto
  • Mangold + Feta + Zwiebel – für Quiche oder türkische Börek
  • Möhre + Sellerie + Lauch – die klassische Suppenbasis, auch gut zum Einfrieren

Was davon schmeckt dir? Fang da an. Nicht bei der Saatgutbestellung, sondern bei deinem Lieblingsgericht.

Wenn du dein Beet als Fortsetzung deiner Küche denkst, wird daraus keine To-Do-Liste, sondern eine Liebeserklärung an deine Geschmacksnerven.

Vom Saatgut zur Sattheit – Wie du deinen Garten auf deine liebsten Rezepte abstimmst und saisonal kochst

Frisch geerntete Gartenbohnen mit Zwiebeln direkt in der Pfanne – saisonale Küche mit Biss.© Jibin P Mathew / unsplash.com (2022)

Von der Ernte in die Pfanne – Wie sich saisonale Küche wie Luxus anfühlt

Ich erinnere mich noch an den ersten Moment, in dem ich verstanden habe, was frisch geerntetes Gemüse wirklich bedeutet. Es war eine Zucchini – ganz schlicht. Morgens geerntet, mittags in der Pfanne. Kein Vergleich zu dem, was ich aus dem Supermarkt kannte: weich, manchmal wässrig, oft ohne echten Geschmack. Aber diese Zucchini? Die hatte Biss. Ein Aroma, das irgendwie… nussig war. Fast süß. Ich hab sie mit ein bisschen Olivenöl und Knoblauch angebraten und – ich schwöre – mehr brauchte es nicht.

Was mich daran so fasziniert: Je frischer das Gemüse, desto weniger muss man machen. Keine komplizierten Saucen, keine langen Garzeiten. Frische Bohnen schmecken roh fast knackiger als Chips, junge Rote Bete kann man dünn aufgeschnitten mit etwas Zitrone roh essen, und Zuckererbsen? Am besten direkt vom Strauch. Es ist, als ob der Garten dir das Kochen abnimmt. Du musst nur noch entscheiden: kurz dämpfen, grillen, roh lassen oder ab in den Ofen. Die richtige Zubereitung hängt weniger vom Rezept ab – und mehr vom Reifegrad und der Textur des Gemüses.

Ein kleiner Trick, den ich mir angewöhnt habe: Ich laufe mit dem Erntekorb durch den Garten, bevor ich ans Kochen denke. Was knackig klingt, kommt in die Pfanne. Was weich ist, wird besser geschmort. Und was schon fast überreif ist – tja, das ist perfekt für Suppe oder einen Ofenröster. Diese unmittelbare Verbindung zwischen Ernte und Küche macht aus Alltagsgerichten kleine Events. Du bist nicht nur Koch, du bist auch Produzent. Und das schmeckt man. Ehrlich.

Küche mit Kalender – Lieblingsrezepte fürs ganze Gartenjahr

Ich geb’s zu: Ich liebe Rezepte, die ich wie ein Ritual wiederhole – Jahr für Jahr, immer zur gleichen Zeit. Mein Frühling beginnt, wenn ich das erste Pesto aus jungem Spinat, Bärlauch und ein bisschen Walnuss mixe. Im Sommer wartet die Tomaten-Zucchini-Pfanne – heiß, würzig, mit gebröseltem Feta obendrauf. Der Herbst bringt die Kürbissuppe mit Apfel und Ingwer, jedes Mal leicht anders, aber immer wärmend. Und im Winter? Da fermentier ich Rote Bete mit Kümmel – ein bisschen säuerlich, ein bisschen erdig, perfekt als Beilage oder auf einem Sauerteigbrot. Jedes dieser Gerichte ist mehr als ein Essen. Es ist ein Kapitel im Gartenjahr.

Das Schöne daran: Du kannst deinen Anbau wirklich drum herum planen. Du weißt, wann du die Zutaten brauchst – also weißt du auch, wann du säen oder pflanzen solltest. Spinat im März, Zucchini im Mai, Kürbis ab April vorziehen, Rote Bete nicht zu spät säen. Plötzlich wird dein Garten zum persönlichen Küchenkalender. Und das Beste daran? Du freust dich monatelang auf dieses eine Gericht, weil du weißt: Bald ist wieder diese Zeit. Diese eine Woche, in der alles passt. Das ist Vorfreude zum Reinbeißen.

Gärtnern nach Geschmack – ein Plädoyer für das Kochen mit Vorfreude

Seit ich meinen Garten an meinen Appetit anpasse, fühlt sich jede Mahlzeit ein bisschen wie ein Geschenk an mich selbst an. Ich buddle keine Beete mehr, um möglichst viel „unterzubringen“, sondern um das zu ernten, was mich wirklich glücklich macht. Und wenn dann die ersten Tomaten reif sind – genau in dem Moment, in dem ich ständig Bruschetta will –, dann weiß ich: Das war kein Zufall. Das war Absicht. Geschmack, geplant im Februar, serviert im Juli.

Vielleicht ist genau das der Trick: Nicht gärtnern, weil man’s muss. Sondern weil man’s schmecken will. Wenn du deinen Garten wie eine Vorratskammer deiner Lieblingsküche betrachtest, wird aus dem Anbau ein persönliches Projekt – voller Vorfreude, Genuss und kleinen Erfolgsmomenten. Also: Was inspiriert deinen Garten? Schreib’s dir auf. Oder noch besser: Koch’s dir raus.

Quellen

  1. Baldwin, E. A., Nisperos-Carriedo, M. O., & Baker, R. A. (1995). Quality and storage life of fresh-cut vegetables. Journal of Food Quality, 18(4), 281–302. https://doi.org/10.1111/j.1745-4557.1995.tb00377.x
  2. Kunz, P. (2022). Saisonale Küche: Warum sie besser schmeckt und nachhaltiger ist. In Slow Food Magazin 01/2022. https://www.slowfood.de/publikationen/magazin
  3. Kingsbury, N. (2009). Planting: A New Perspective. Timber Press.
    → Dieses Buch enthält ein Kapitel über „Gärtnern mit dem Gaumen“ und regt dazu an, Pflanzenwahl und Beetgestaltung an kulinarischen Vorlieben auszurichten.
  4. Abbildung 1: Frisch geerntetes Gartengemüse im Spätsommer – vom Beet direkt in die Küche. © Jack Bulmer / unsplash.com (2021)
  5. Abbildung 2: Frisch geerntete Gartenbohnen mit Zwiebeln direkt in der Pfanne – saisonale Küche mit Biss.© Jibin P Mathew / unsplash.com (2022)

Kurzporträt des Autors

Matthias Jünger

Matthias Jünger betreibt die Plattform Garden-Shop.at und lebt seine Leidenschaft fürs Gärtnern mit jeder Handvoll Erde. Was als Hobby begann, ist längst zur Berufung geworden – mit einem besonderen Fokus auf nachhaltige Gartenkultur, Permakultur und klimaresilientes Gärtnern. Aufgewachsen zwischen Kompost und Kompromissen, liebt er das Experimentieren mit Anbaumethoden, die nicht nur heute funktionieren, sondern auch morgen noch Früchte tragen

Durch seinen Online-Shop kennt er die Fragen, die Gärtnerinnen und Gärtner heute umtreiben – von Trockenheit bis Torffreiheit, von Mulch bis Mikroklima. Sein Ziel: Gartenzeit für alle zugänglich und sinnvoll gestalten. In diesem Beitrag teilt er persönliche Erfahrungen und Impulse für ein Gärtnern, das mehr ist als nur ein Hobby – nämlich ein echter Beitrag zu einem guten Leben.

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